26.06.2024 | Porträts und Geschichten

Gärtnermeisterin Bettina Hentrich kümmert sich um die Universitäts-Bäume auf dem Campus

An den verschiedenen Standorten der Universität Kassel wachsen über 1.500 Bäume – ein Rundgang.

Bild: Kathrin Meckbach
Bettina Hentrich arbeitet seit 1998 an der Universität Kassel. Heute leitet sie die Pflege der Außenanlagen an den verschiedenen Standorten.

Die Sonne scheint, die Käfer brummen, im Wind raschelt Laub – es ist ein Tag im Frühling und ich bin verabredet mit Bettina Hentrich. Die Gärtnermeisterin nimmt mich mit auf eine Baumtour. Denn wer hätte das gedacht: An den verschiede-nen Standorten der Universität Kassel wachsen über 1.500 Bäume. Die schönsten Exemplare und ihre besonderen Geschichten lerne ich heute kennen. Als wir starten, erzählt mir Bettina Hentrich, dass alle Bäume in einem Baumkataster verzeichnet sind. „Hier werden alle wichtigen Infos zu dem jeweiligen Baum gesammelt – Gattung, Jahr der Pflanzung, Standort, Umfang und Höhe sowie Pflegemaßnahmen.“ Man kann dem Verzeichnis beispielsweise entnehmen, dass es 60 Baumgattungen mit über 134 Sorten und Arten auf den Campusflächen gibt – eine große Vielfalt. Sie selbst hat das Kataster 2005 noch auf Karteikarten angelegt, heute sind die Infos digital abrufbar.

Unsere erste Station ist der Standort an der Wilhelmshöher Allee. Hier warten gleich die ersten Highlights – der wohl älteste und der jüngste Baum der Universität. Die prächtige Blutbuche wurde etwa 1910 gepflanzt. „Das genaue Datum kennen wir nicht, aber über den Umfang des Stammes und die Höhe können wir das gut schätzen“, sagt Hentrich. Bei dem jüngsten Baum, einer Hainbuche, ist der Fall eindeutig; er wurde letzten Herbst gepflanzt. Hentrich freut sich besonders über den Farbkontrast zwischen den zarten grünen Blättern der Hainbuche und den dunkelroten Blättern der Blutbuche. Weiter geht’s zu einer ebenfalls rund 100 Jahre alten Blutbuche vor dem Gebäude des CESR (Wilhelmshöher Allee, Ecke Sophienstraße). Der imposante Baum ist so wertvoll, dass er von der Stadt unter Denkmalschutz gestellt wurde. „Eine solche Auszeichnung erhalten Bäume, die das Erscheinungsbild eines Ortes prägen. Sie sind damit besonders geschützt und dürfen nur in Ausnahmefällen und mit Genehmigung gefällt werden“, erläutert die Gärtnermeisterin.

Bild: Kathrin Meckbach
Ältester und jüngster Baum der Universität: Blutbuche, ca. 115 Jahre, und junge Hainbuche, ca. 10 Jahre, an der Ingenieur-Schule.

Bettina Hentrich arbeitet seit 1998 an der Universität, zunächst am Standort Witzenhausen. Einige Jahre später ergab sich die Möglichkeit, eine Meisterstelle am Holländischen Platz zu übernehmen. Die Weiterbildung zur Meisterin absolvierte Hentrich berufsbegleitend, mit Unterricht am Wochenende über einen Zeitraum von zwei Jahren. Heute leitet sie die Pflege der Außenanlagen an den verschiedenen Standorten. Ihr Aufgabenbereich ist vielfältig: von der Pflege der Blumenbeete im Frühjahr über Rasenschnitt im Sommer, Laubbeseitigung im Herbst und Schneeräumen im Winter. Dabei wird sie von drei Kolleginnen und Kollegen unterstützt. Mehr als 1.500 Bäume auf dem Universitätsgelände machen viel Arbeit, aber aus Hentrichs Erzählungen spricht eine große Freude.

„Ich kontrolliere regelmäßig: Sind sie von Fäule, Krankheiten oder Schädlingen befallen, gibt es Sturm- oder Frostschäden, könnten Äste auf Menschen herabfallen? Junge Bäume sind meist unproblematisch, aber je älter die Bäume werden, desto öfter schaue ich nach ihnen, meist im Mai oder Juni mit vollem Blätterdach und nochmal im Winter, wenn das Laub gefallen ist.“ Sollte ein Baum trotzdem nicht zu retten sein, wird nachgepflanzt. „Die kleinen Bäume wurden meist schon einige Jahre in Baumschulen vorgezogen“, erläutert Hentrich. „Wir setzen lieber jüngere Bäume, da sich diese noch gut an den neuen Standort gewöhnen können. Nach der Pflanzung wässern wir die Neupflanzungen noch drei bis sechs Jahre. Durch die langen Trockenheiten hat sich dieser Zeitraum auch verlängert.“ Wir fahren weiter zum AVZ in Oberzwehren. Hier wurde schon in den 1970er Jahren ein sogenanntes Arboretum angelegt. Die verschiedenen Baumarten dienen Lehrzwecken, sowohl für die Universität als auch für die nahegelegenen Schulen. Hier wachsen beispielsweise verschiedene Eichensorten, aber auch Tannen, Fichten und sogar ein Riesenmammutbaum.

Auf der anderen Straßenseite, neben dem Gewächshaus, haben die Gärtner eine „Zukunftsallee“ angelegt – mit Baumarten, die sich nach derzeitigem Wissen gut auf extreme Klimaverhältnisse einstellen können. „Hier testen wir, wie Hainbuche, Esche, Feldahorn, Pappel sowie verschiedene Mehlbeersorten mit Wassermangel und langen Hitzeperioden umgehen können.“ Aus Hentrichs Erläuterungen spricht ein großes Fachwissen und langjährige Erfahrung.

An der Kunsthochschule erwartet uns der „Fernsehstar“, eine Esche. „Eines Tages fragte der Hessische Rundfunk bei uns an, um einen Bericht zur Seilklettertechnik zu drehen“, erzählt Bettina Hentrich. „Diese wird oft zur Baumpflege eingesetzt und ist eine sehr schonende Methode, im Gegensatz zum Einsatz von Hubarbeitsbühnen. Da die Esche schon über 100 Jahre alt und entsprechend groß ist, demonstrierten wir die Technik an ihr.“ Im Laufe der Jahrzehnte hatte die Esche einige Sturmschäden zu verkraften. Doch dank besonderer Pflege hält sie sich tapfer. „Ihr Boden wurde mit Druckluft gelockert. So können die Wurzeln leichter atmen und sie kann Wasser besser aufnehmen. Dazu hat sie Substrat mit Nährstoffen bekommen.“

Eine gute Pflege der Bäume ist wegen des Klimawandels bedeutsamer denn je. Sie nehmen Kohlenstoffdioxid und Schadstoffe aus der Luft auf und speichern sie in Stamm, Zweigen und Blättern. Ein einzelner Baum ist in der Lage, Sauerstoff für zwei Menschen zu produzieren, und sorgt so für körperliche und psychische Gesundheit. Sie reduzieren Lärm, spenden Schatten, speichern Wasser und geben es durch Verdunstung wieder an die Umgebung ab – ein kühlender Effekt. Sie bieten Lebensraum für Insekten, Vögel und Kleintiere. Insbesondere für das Stadtklima sind Bäume unersetzbar – gleichzeitig finden sie hier die schwersten Bedingungen vor. In den nächsten Jahren sollen an der Uni weitere Bäume gesetzt werden. Insbesondere bei den Neubauten für die Naturwissenschaften am Campus Nord werden bei den Planungen Grünflächen mitgedacht (ebenso übrigens wie begrünte Dächer und Fassaden). Ein erster Schritt sind die jungen Bäume an der frisch sanierten Moritzstraße.

Am Campus Holländischer Platz sind wir mittlerweile angekommen – der Abschluss unserer Baumtour. Auch hier erwarten uns noch einige besondere Bäume. Die Trauerweide vor der Mensa kennt wohl jeder – wer hat noch nicht versucht, einen der im Sommer begehrten Plätze unter den herabhängenden Zweigen für die Mittagspause zu ergattern? Auch sie ist schon über 100 Jahre alt, hat also schon den Henschel-Arbeitern Schatten geboten. Ein Lieblingsbaum von Bettina Hentrich steht im Innenhof des Gästehauses in der Mönchebergstraße: eine Paulownia, von ihr liebevoll „Paulinchen“ genannt. Die farbenfrohen lila Blüten schmücken sie meist im Mai. Leider hat der Baum dieses Jahr den späten Frost nicht gut verkraftet und nur wenige Blüten gebildet. Neue Austriebe machen Hentrich aber Hoffnung, dass „Paulinchen“ den Schaden gut übersteht.

Auch einige der stadtbekannten Eichen von Joseph Beuys haben ihren Platz an den Standorten der Hochschule gefunden. Ab 1982 hatte der Künstler für die documenta 7 im Rahmen des Projektes „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ 7.000 Eichen in Kassel gepflanzt, gut erkennbar an den zugehörigen Basaltstelen. Am Hopla stehen vor der Zentralverwaltung, am Café Desasta sowie am K10 einige Baum-Kunstwerke, ebenso an der Kunsthochschule und vor der Ingenieur-Schule in der Wilhelmshöher Allee.

Eine kleine Allee bilden die Sophoren in der Diagonale am Holländischen Platz. Auch zu diesen Bäumen hat Hentrich eine kleine Geschichte parat: „Für mich sehen sie immer aus, als wollten sie ihren Platz verlassen und weglaufen, weil sie ihre Wurzeln nach oben strecken und das Pflaster aufreißen.“ Auch einige wenige Obstbäume finden sich am Campus Hopla. Ihre Standorte seien an dieser Stelle nicht verraten. Wer aufmerksam sucht, wird im Spätsommer und Herbst mit leckeren Birnen und Äpfeln belohnt.

 

Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2024/2. Text: Kathrin Meckbach