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11/24/2020 | Porträts und Geschichten

Auch die Schule wird digital

Von didaktischen Doppeldeckern und erzwungener Digitalisierung

Image: picture alliance|Marijan Murat

Wer Kinder im schulpflichtigen Alter hat, konnte in den vergangenen Monaten den Stand der Digitalisierung an deutschen Schulen am eigenen Leib erfahren: Von „Das klappt ja schon ganz gut“ bis zu „Das funktioniert überhaupt nicht“ war dabei die ganze Bandbreite vertreten.

Auch am Zentrum für Lehrerbildung (ZLB) der Universität Kassel hat man den Umgang der Schulen mit der Corona-Pandemie genau verfolgt, insbesondere im Hinblick auf die Digitalisierung. „Was viele Lehrkräfte in dieser schwierigen Situation geleistet haben, war außergewöhnlich und verdient großen Respekt“, sagt Prof. Dr. Rita Wodzinski. Sie ist seit Juni 2017 stellvertretende Vorsitzende des ZLB und leitet darüber hinaus zusammen mit Dr. Kathrin Ziepprecht und Dr. Monique Meier das Projekt „Professionalisierung im Kasseler Digitalisierungsnetzwerk“, kurz PRONET-D.

Das Projekt führt den Leitgedanken von „Professionalisierung durch Vernetzung“ in der Lehrerbildung aus den anderen PRONET-Projekten in Hinblick auf die Digitalisierung weiter. Die PRONET-Projekte der Universität Kassel sind Teil der Qualitätsoffensive Lehrerbildung, die 2015 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen wurde. 2020 kam dafür eine neue Förderrichtlinie hinzu, die Projekte zur Förderung der Digitalisierung in der Lehrerbildung unterstützt.

„Unser Projekt PRONET-D ist im März 2020 gestartet, also genau zu Beginn der Corona-Einschränkungen“, berichtet Wodzinski. „So wie bei vielen anderen Projekten stand auch bei uns in der Anfangsphase alles unter dem Schatten der Pandemie“, sagt die Professorin, die an der Universität Kassel den Bereich Didaktik der Physik leitet.

„Für die Umstellung der Lehre auf digitale Formate in der Universität hat das Servicecenter Lehre hervorragende Arbeit geleistet – die Kolleginnen und Kollegen dort waren in Sachen digitaler Lehre ja bereits gut aufgestellt und haben innerhalb kürzester Zeit noch viele zusätzliche Angebote geschaffen“, schildert sie. „Was die Schulen angeht, haben wir auf die pädagogische Hochschule Schwyz verwiesen, die auf ihrer Seite ‚lernentrotzcorona.ch‘ ein ausgezeichnetes Wiki erstellt haben.“

Vernetzen statt neu erfinden

In dieser Form der Hilfestellung sieht sie auch einen Leitgedanken des Projekts PRONET-D: „Es geht ja gerade darum, das Rad nicht ständig neu zu erfinden, sondern das bereits vorhandene Wissen der unterschiedlichen Akteure miteinander zu teilen“, sagt Wodzinski. Gerade in den Schulen habe das zu Beginn der Corona-Pandemie noch nicht so gut geklappt: „Da hat jede Schule und zum Teil jede Lehrkraft ihr eigenes Modell für digitalen Unterricht entwickelt – da kam es unweigerlich zu großen Reibungsverlusten und Unsicherheiten auf allen Seiten“, erzählt sie.

Trotzdem sieht sie in der Reaktion von Schulen auf die Corona-Pandemie auch positive Aspekte: „Durch die rasante Umstellung wurde schonungslos offengelegt, was gut funktioniert und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt.“ Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass die Vorstellung von gutem Unterricht mit Blick auf die Digitalisierung natürlich eine andere ist als das vollständige Ersetzen von unmittelbarem Kontakt.

Um das Thema Digitalisierung stärker in Schulen zu unterstützen, setzt das Projekt auf mehreren Ebenen an: Auf der einen Seite wird an der Medienentwicklung gearbeitet, um zum Beispiel intelligente digitale Feedbacksysteme zu realisieren, auf der anderen Seite werden neue Konzepte zur lernwirksamen Nutzung digitaler Medien entwickelt, die sich häufig sowohl auf die Hochschule als auch auf die Schule beziehen. So wird in verschiedenen Projekten die Nutzung digitaler Medien von den Studierenden erprobt – dazu zählen beispielsweise Erklärvideos, virtuelle Klassenräume und webbasierte Texteditoren. Die Studierenden wiederum erproben diese Lernumgebungen mit Schülerinnen und Schülern. „Wir sprechen in diesem Fall von sogenannten didaktischen Doppeldeckern“, schildert Wodzinski.

Mit Hilfe dieser didaktischen Doppeldecker sollen die angehenden Lehrerinnen und Lehrer direkt am eigenen Leib erfahren, in welchen Settings die digitale Technik Lernvorteile bringt, und gleichzeitig in die Lage versetzt werden, digitale Werkzeuge später sinnvoll in ihren Unterricht zu integrieren.

Alle diese Projekte sind durch fachdidaktische oder bildungswissenschaftliche Forschung begleitet. Die insgesamt sieben Teilprojekte decken dabei ein großes Fächerspektrum ab und reichen über alle Schularten hinweg, ein achtes Teilprojekt dient der teilprojektübergreifenden Begleitforschung.

Hoffen auf den DigitalPakt

Wann die Ergebnisse des Projekts die Schulen erreichen werden, ist aus Sicht von Wodzinski aktuell noch nicht abzusehen. „Der Status quo an vielen Schulen sieht aktuell noch so aus, dass es an der grundlegenden Infrastruktur mangelt“, erklärt die Professorin. Insbesondere die vielerorts zu langsamen Breitbandverbindungen sieht sie als Problem: „Je größer der Anteil an digitalem Unterricht wird, umso schneller stoßen die vergleichsweise langsamen Internetverbindungen an ihre Grenzen“, konstatiert sie. Die Folge: Lange Ladezeiten, ruckelnde Videos und abgehackte Online-Meetings. „Da kommt die Geduld vieler Nutzerinnen und Nutzer schnell an ihre Grenzen“, sagt Wodzinski.

Hoffnung setzt sie auf den DigitalPakt Schule, der im vergangenen Jahr von der Bundesregierung verabschiedet wurde. Insgesamt fünf Milliarden Euro an Fördermitteln werden mit dem DigitalPakt für die Bundesländer bereitgestellt. „Ziel des DigitalPakts ist es, die infrastrukturellen Grundlagen für digitale Bildung in deutschen Schulen zu schaffen und Investitionshilfen als Anschub zu leisten. Förderfähig sind insbesondere die breitbandige Verkabelung innerhalb der Schulen bis zum Klassenzimmer, die WLAN-Ausleuchtung sowie stationäre Endgeräte wie zum Beispiel interaktive Tafeln“, heißt es auf Seiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Für Hessen stehen in dem Fördertopf des Bundesprogrammes rund 372 Millionen Euro bereit. Da die Landesregierung beschlossen hat, diese Mittel noch zusätzlich aufzustocken, können über die vereinbarte Laufzeit von fünf Jahren rund 500 Millionen Euro von Schulträgern abgerufen werden. „Einige Schulen und Schulträger klagen darüber, dass die Beantragung von Mitteln aus diesem Fördertopf zeitraubend und kompliziert ist – unsere Hoffnung ist aber, dass nach Ablauf der fünfjährigen Förderphase ein deutlicher Zuwachs an digitalen Möglichkeiten feststellbar ist“, sagt Wodzinski.

Physiklehrer als unfreiwillige IT-Administratoren?

Ein Problem, das aus ihrer Sicht noch gelöst werden muss, ist die mangelnde Versorgung von Schulen mit technischem Fachpersonal. „Wenn genügend Laptops und Tablets, digitale Tafeln und eine schnelle Internetverbindung vorhanden sind, ist das natürlich ein großer Schritt in die richtige Richtung – aber eine entscheidende Frage im Alltag ist: Wer kümmert sich um die korrekte Einrichtung und im Zweifelsfall um die Fehlerbehebung?“, sagt Wodzinski.

Selbst wenn ein Kollege oder eine Kollegin bei technischen Fragen weiterhelfen kann, ist das für Wodzinski keine Dauerlösung. „Daher ist es aus unserer Sicht sehr wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, wie der technische Support an den Schulen organisiert werden kann“, sagt sie.

Die Ergebnisse in die Breite tragen

Die Projektmitarbeiter von PRONET-D haben sich auch darüber Gedanken gemacht, wie sie die Erkenntnisse aus den verschiedenen Teilprojekten später an den Schulen bekannt machen wollen. Eine Möglichkeit ist die direkte Beteiligung von Schulen im Rahmen des Projekts selbst. „Darüber hinaus haben wir zum Beispiel auch im Rahmen des Programms ‚Uni4School‘ bereits etablierte Kanäle mit vielen Schulen in der Region aufgebaut“, schildert Wodzinski. Über die entsprechende Internetseite des ZLB können sich Schulen dort direkt über Themen informieren, zu denen von Seiten der Universität Kassel Fortbildungen oder Hilfestellungen angeboten werden. Insgesamt blickt Wodzinski optimistisch in die Zukunft: „Wenn wir die Digitalisierung als Chance begreifen, dann können am Ende sowohl Lehrkräfte als auch Schüler und Eltern profitieren!“

 

KASTEN

Weitere Infos zum Projekt PRONET-D, zum Thema „Uni4School“ und zu weiteren Angeboten des Zentrums für Lehrerbildung finden sich auf dieser Internetseite:

https://www.uni-kassel.de/zlb

 

Text: Markus Zens