Rosenzweig-Professur an Musikwissenschaftler Philip Bohlman – Seminar zu Nationalismus im Eurovision Song Contest
Die nach dem in Kassel geborenen jüdischen Religionsphilosophen Franz Rosenzweig benannte Gastprofessur wird jedes Sommersemester an einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin vergeben, der oder die zur Erforschung und Bewahrung der jüdischen Kultur in Europa beträgt. „Mit seinen Forschungsthemen, seinem internationalen wissenschaftlichen Renommee und seiner Vermittlungsfähigkeit ist Philip Bohlman ohne Zweifel eine ideale Wahl“, sagte die Vizepräsidentin der Universität, Claudia Brinker-von der Heyde. Der Kasseler Musikwissenschaftler und Vertreter der Findungskommission, Prof. Dr. Markus Böggemann, fügte hinzu: „Bohlman ist einer der profiliertesten Erforscher der jüdischen Musikkultur und zählt zu den herausragenden Musikethnologen der Gegenwart. Die Universität Kassel gewinnt mit ihm einen herausragenden Wissenschaftler und Lehrer, von dem Studierende, Universität und nicht zuletzt die Kasseler Öffentlichkeit außerordentlich profitieren werden.“
Bohlman, geboren 1952 in Wisconsin (USA), ist seit 1999 Professor für Musik an der University of Chicago. Er studierte Musikwissenschaft und Musikethnologie an der University of Illinois Urbana-Champaign, wo er 1984 promovierte. Seit 1987 gehört er zum Kollegium der University of Chicago. 1999 wurde er dort zum Mary Werkman Professor in the Humanities and Music berufen, seit 2007 ist er Mary Werkman Distinguished Service Professor of Music and the Humanities. Von 2003 bis 2006 hatte er an der Universität Chicago überdies den Chair der Jewish Studies inne. Philip Bohlman ist Honorarprofessor der Hochschule für Musik und Theater Hannover und bekleidete eine Gastprofessur an der Universität Wien (1995/96). Darüber hinaus unterrichtete er an den Universitäten Berkeley, Yale, Newcastle, Freiburg und an der Humboldt Universität Berlin.
Zu Bohlmans Forschungsschwerpunkten zählen die jüdische Musik und Kultur in der Moderne, insbesondere die Musik der jüdischen Gemeinschaften in Mittel- und Ostmitteleuropa, des weiteren Musik und kulturelle Identität in der Moderne sowie Kanonbildung und Nationalismen in der Musik. Als künstlerischer Leiter der New Budapest Orpheum Society verbindet er darüber hinaus wissenschaftliche Forschung und künstlerische Praxis: Das an der Universität Chicago beheimatete Ensemble widmet sich höchst erfolgreich der Wiederbelebung jüdischen Kabarett-Traditionen des 20. Jahrhunderts, an deren Wiederentdeckung und Erforschung Bohlman wesentlichen Anteil hat.
Der Eurovision Song Contest als Spielfeld des europäischen Nationalismus
Im Rahmen der Rosenzweig-Gastprofessur hält Bohlman in Kassel eine öffentliche Antrittsvorlesung sowie zwei Seminare im ordentlichen Lehrbetrieb. Alle Veranstaltungen sind auf Deutsch.
- Die Antrittsvorlesung „Singet uns Lieder von Zion!" – Jüdische Musik jenseits von Franz Rosenzweigs Zweistromland“ findet statt am Montag, 19. Mai 2014, 18 Uhr c.t. im Gießhaus der Universität. Der Eintritt ist frei.
- In seinem Seminar „Europäischer Nationalismus im Spiegel des Eurovision Song Contest“ untersucht Bohlman mit den Studierenden der Universität den weltweit beliebtesten Wettbewerb der Popularmusik als Symbol und Labor des Nationalismus. Der Ablauf des Seminars orientiert sich dabei auch am Eurovision Song Contest 2014, der Anfang in Mai in Kopenhagen stattfinden wird.
- Das zweite Seminar trägt den Titel „Jüdische Musik im Zweistromland – Vergangenheit und Gegenwart“. Ausgehend vonRosenzweigs Thematisierung des „Zweistromlandes“ in seinem gleichnamigen letzten Buch widmet sich diese Lehrveranstaltung jüdischer Musik im deutschen Sprachraum. Die untersuchten Repertoires reichen von synagogaler Musik über das Schaffen der jüdischen Komponistinnen und Komponisten des 19. Jahrhunderts bis zur Popular- und Filmmusik des 20. und 21. Jahrhunderts.
Die Franz-Rosenzweig-Gastprofessur ist eine in der deutschen Universitätslandschaft einmalige Einrichtung. Sie wird seit 1987 jeweils im Sommersemester an einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften vergeben, der oder die durch Arbeit und Forschung zu Fragen der europäisch-jüdischen Geschichte, Kultur und Bildung dem Verdrängen und Vergessen des in Europa zerstörten jüdischen Erbes entgegenwirkt. Sie ist benannt nach Franz Rosenzweig (1886 – 1929), der als Historiker und Philosoph hervortrat und seine religionsphilosophischen Gedanken im Austausch mit christlichen Freunden entwickelte.
Bild von Prof. Dr. Philip Bohlman (Foto: privat):
http://www.uni-kassel.de/uni/fileadmin/datas/uni/presse/anhaenge/2014/Bohlma.jpg
Kontakt:
Prof. Dr. Markus Böggemann
Universität Kassel
Institut für Musik
Fachgebiet Historische Musikwissenschaft
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E-Mail: boeggemann[at]uni-kassel[dot]de
Sebastian Mense
Universität Kassel
Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 651 804-1961
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